Freitag, 13. September 2013

Passend zum Tag. Kurzgeschichte ~ Freitag der 13.

Freitag der 13. ~ Glücks oder Pech Tag?

Mit einem Freitag den 13 fing es an. Würde ein Freitag der 13 auch alles beendet?

Ein Schauer lief mir den Rücken hinab und ich wischte mir hektisch über die Wange. Nicht weinen! Nicht jetzt. Nicht hier. Ich knallte meine Schließfach Tür lauthals zu und wandte mich ab. Ich schulterte meine Schultasche und ging langsam Richtung Klassenraum. Doch ich ging nicht hinein. Was würde mich da drinnen erwarten? Würden sie mich mit fragen bestürmen? Oder würden sie mir alle sagen wie schrecklich es doch war. Würden sie mich nur bemitleiden? Der Unterricht hatte schon vor 10 Minuten begonnen. Ich stand vor dem Klassenraum und überlegte ob ich es wagen sollte. Sollte ich wirklich hineingehen?

Ich tat es nicht. Stattdessen lief ich auf meine Krücken gestützt über den Schulhof und setzte ich mich auf die Tribüne unseres Schulgeländes. Es war beunruhigen Still. Die Stille machte mich nervös, raubte mir den letzten Rest Nerv der es mir ermöglicht hatte heute zur Schule zu kommen. Wieder liefen Tränen über meine Wangen. Ich fühlte mich leer. Ein dumpfer Schmerz hatte sich in mir ausgebreitet. Larissa. Meine große, coole, beliebte, Siebzehnjährige Schwester Larissa lag im Krankenhaus. Im Koma. Schon seit knappen Fünf Wochen. Wieso hatte der Unfall ihr so zugesetzt? Ich war doch auch dabei gewesen? Wieso ging es mir gut. Wieso lag nicht ich im Koma sondern sie? Wieso? Ihr Zustand ist stabil, haben die Ärzte gesagt. Es wird alles gut werden, haben sie gesagt. Doch es war nicht alles gut geworden. Stattdessen fiel Larissa in Koma. Ich hatte nur Zwei Zimmer entfernt von ihr gelegen. Die Ärzten hatten mir unmittelbar nach dem Unfall gesagt es wäre nur eine kleine Wunde am Kopf die ihr ein bisschen zu schaffen machte. Sie waren von sich überzeugt gewesen. Bis meine Schwester ins Koma gefallen war und herauskam, das sie eine Hirnblutung hatte. Ich war furchtbar wütend auf die Ärzte im Krankenhaus. Sie hätten es verhindern müssen. Sie hätten dafür sorgen müssen das es ihr gut ging und das sich ihr Zustand nicht verschlechterte. Sie hätten, verdammt nochmal, erkennen müssen was mir meiner Schwester los war!

Heute ging ich das erste mal nach dem Unfall wieder zur Schule. Mein gebrochenes Bein war bald wieder Gesund und meine Schürfwunden und Schrammen waren schon längst wieder verheilt. Mehr hatte ich nicht abbekommen. Die Ärzte sagten mir, das ich unglaubliches Glück gehabt habe, bei so einem Autounfall war es ein reines Wunder das mir nicht mehr passiert war. Aber was wussten die denn schon? Schließlich hatten sie Larissa ins Koma fallen lassen. Sie trugen Schuld daran. Ebenso wie der Fahrer des anderen Wagens, der den ganzen Unfall verursacht hatte. Ich wollte ihn hassen. Seinetwegen war das alles doch erst passiert. Doch ich konnte es nicht. Er lag im Krankenhaus, genau wie Larissa im Koma. Er hatte bei dem Unfall seine Frau verloren und seine kleine Tochter war ebenfalls verletzt worden. Doch zumindest lebte sie. Sosehr ich mich auch bemühte ich konnte ihn nicht hassen. Noch nicht. Noch war Larissa ja auch noch am Leben. Noch gab es Hoffnung das sie wieder aufwachen würde. Ich wollte nicht in der Haut des Mannes stecken wenn dieser aufwachte. Er hatte nicht nur seine Frau getötet sondern beinahe auch seine Tochter, ebenso hatte er mich verletzt und Larissa...! Vielleicht sollte der Mann einfach nie wieder aufwachen. So würde er diese Last niemals tragen müssen. Dennoch wäre seine Tochter dann elternlos und falls Larissa sterben sollte, WOLLTE ich das er aufwachte. Ich wollte das er die Schuld an sich nagen fühlte. Ich wollte das er wusste das er nicht nur sein eigenes sondern auch das Leben von anderen zerstört hatte. Doch noch lebte meine Schwester. Ich betete jeden Tag das sie wieder aufwachen würde.

Alles war still im Zimmer bis auf das Piepen des Monitors und ihr leises atmen. Ich ging hinüber zu Larissas Bett und schob humpelnd den harten Stuhl der in der Ecke des Zimmers stand an ihr Bett. Dann griff ich nach ihrer Hand und hielt sie in meiner. Larissa war schon immer furchtbar schlank gewesen. Ich hingegen war ziemlich kräftig gebaut und beneidete sie oft um ihre Figur. Doch nun fühlte sich ihre Hand knochig und leblos in meiner an. Viel zu dünn. „Hallo Larissa.“ sagte ich. Mama hatte mir gesagt, es würde ihr bestimmt helfen wenn ich mit ihr reden würde. Seitdem tat ich das jeden Tag. Genau wie Mama. „Ich habe dir doch erzählt, das ich heute zur Schule gehen würde. Ich war dort. Aber ich habe mich einfach nicht getraut in die Klasse zu gehen. Ich habe Angst davor. Was ist wenn sie mich nach dir Fragen? Was soll ich denn dann antworten? Ich habe mich auf die Tribüne gesetzt. Nach einer Weile hat mich mein Mathematiklehrer  Herr Siebert, gefunden. Er hat gefragt ob er mich nach Hause fahren soll. Ich bin beinahe hysterisch geworden.,“ ich lachte verbittert auf. „,Glaubst du ich kann jemals wieder ein Auto betreten?  Ich habe solche Angst davor. Fürchte mich sogar davor eine Straße zu überqueren. Albern nicht? Früher rannte ich immer über die Straße, dem Bus hinterher. Jetzt kann ich nicht einmal mehr das.“

„Ich habe mich verändert Larissa.,“ fuhr ich fort. „, Ich bin nicht mehr dieselbe wie vor dem Unfall. Ist das normal? Ist das bei dir genauso? Ich finde schon. Dünn bist du geworden. Aber weißt du, wenn du aufwachen würdest würden sie dich bestimmt mal wieder richtig gut durchfüttern. Ich wette sie würden dir alles geben. Salat,Eis,Nüsse,Erdbeeren,Spaghetti und vielleicht sogar ein Steak. Vielleicht findest du als Vegetarierin es so schrecklich das du aufwachst. Sie würden dir alles geben. Bestimmt. Wenn sie es nicht tun, mache ich es. Aber dafür musst du aufwachen. Außerdem vermisse ich meine große Schwester. Morgen ist Freitag der 13. Dein Lieblings Tag  Denn willst du doch nicht verpassen? Du wirst 19 Jahre alt. So alt schon. Ich bin richtig neidisch.“ Ich stockte. Mir schnürte sich die Kehle zu. Larissa war das beste Beispiel dafür das der Freitag der 13 kein Unglückstag war. Vor knapp 19 Jahren an einem Freitag den 13. hatte meine Schwester das Licht der Welt erblickt. Sie war immer die lebendigere und Selbstbewusstere von uns beiden gewesen. 

Aufgedreht,offen,fröhlich,hilfsbereit,nett,liebevoll...! Ich schluchzte auf. „Wach auf. Bitte. Bitte. Wach auf!“ wisperte ich. In diesem Moment fing der Monitor an verrückt zu spielen. Im ersten Moment dachte ich sie würde tatsächlich aufwachen doch plötzlich wurde die Tür aufgerissen und eine Krankenschwester stürmte herein. Erst jetzt wurde mir bewusst das sich ihr zustand massiv verschlechterte. Zwei weitere Schwestern eilten herbei. Eine vierte lotste mich nach draußen. „Das wird schon wieder. Geh nach Hause und komm morgen wieder. Wir kümmern uns um deine Schwester.“ sagte sie beruhigend und führte mich nach draußen. Mir blieb keine andere Wahl. Mit ängstlich klopfenden Herzen und Tränen verschmierten Gesicht, lief ich nach Hause.

Der Regen prasselte auf die Straße. Ich sah aus dem Fenster und weinte schon wieder. Heute war Freitag der 13. Larissas 19 Geburtstag. Seit gestern hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Mama redete nicht mit mir darüber. Gerade war sie ins Krankenhaus gefahren. Ohne mich. Natürlich hätte sie um mich mitzunehmen laufen müssen, dennoch fand ich es unfair das sie mich nicht dabei haben wollte. War etwas passiert? War sie etwa...? Das Telefon klingelte. Ich raste nach unten und nahm ab. Mama war am Apparat. „Liebling, willst du jetzt herkommen? Soll ich dich abholen?“ ihre Stimme klang verweint. „Mama ist alles in Ordnung?“ fragte ich. „Ja, Schatz. Soll ich dich abholen?“ wiederholte sie. „Nein! Ich komme zu Fuß.“ und schon hatte ich aufgelegt und war nach draußen geeilt, so gut es mit meinen Krücken ging.

Vor dem Krankenhaus wartete Mama auf mich. „Hallo Liebling.“ begrüßte sie mich. „Hallo Mama.“ antwortete ich nur. „Was hast du denn da?“ fragte sie und deutete auf ein kleines verschnürtes Päckchen in meiner linken Hand. „Larissas Geburtstags Geschenk.“ antwortete ich monoton. Ich sah die Tränen spuren auf Mamas Gesicht. Ich wurde nervös. Wieso sagte sie nichts mehr. „Schön.“ sagte sie nach etlichen Minuten und machte sich auf den Weg nach drinnen. Gemeinsam liefen wir den langen Korridor entlang und meine Nervosität nahm mit jeden Schritt zu. Was war bloß los? Vor der Tür blieb ich zögernd stehen. „Nun mach schon auf.“ drängte Mama plötzlich ungeduldig. Ich gehorchte. Öffnete die Tür und betrat mit Mama im Schlepptau den Raum. Vor dem Bett stand eine Krankenschwester. Sie redete munter vor sich hin. Verrückte Frau. Führte Selbstgespräche. Ich trat auf das Bett zu und erstarrte. Larissas Augen waren nicht länger Glasig und leer. Sie waren lebendig und versprühten Farbe und Leben. Sie lächelte schwach, als sie mich sah. Sie war Wach. Mir traten Tränen in die Augen. „Larissa.“ flüsterte ich und lief auf sie zu. „Langsam.“ mahnte mich die Schwester als ich Larissa fest in die Arme nahm. Am liebsten hätte ich sie zerdrückt. Ich war so glücklich. Ich weinte unaufhörlich. Larissa weinte auch. Weinend hielten wir einander fest. Nach einer Weile löste ich mich von ihr und reichte ihr das Päckchen das ich noch immer fest umklammert hielt. Vorsichtig nahm sie es und da es nicht richtig eingepackt gewesen war löste sich das Papier ganz wie von selbst. Zum Vorschein kam ein Fotoalbum. Sie öffnete es. Ich wusste was sie sehen würde. Sie sah uns beide lachend im Wald auf einem alten Baum stehend gespalten von einem Blitz. Wir lächelten in die Kamera und strahlten um die Wette. Sie lächelte. „Alles gute zum Geburtstag.“ flüsterte ich.

Würde mich über Kommis freuen. 

Ellen



4 Kommentare:

  1. Ich hatte teilweise echt Gänsehaut. Wow. Das hast du wundervoll geschrieben und du hast es es geschafft mich in die tiefe Gedankenwelt des Mädchens zu entführen. Hast du eigentlich selbst eine Schwester?

    Liebe Grüße
    Luisa

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    1. Dankeschön. :)
      Nein, leider nicht. Dafür aber zwei große Brüder. :D

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  2. Das lässt sich so schön lesen!
    Ich hatte ebenfalls eine Gänsehaut.
    Mir fällt gar nichts ein, was ich dazu schreiben könnte... ich bin Wortlos! Ich würde gern noch viele solcher Geschichten mit "Schauderfaktor" lesen :)

    Liebe Grüße > darkest.heart

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    1. Dankeschön. Ich freue mich jedesmal so wenn es meinen lieben Lesern gefällt. :))

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