Freitag
der 13. ~ Glücks oder Pech Tag?
Mit einem Freitag den 13 fing es
an. Würde ein Freitag der 13 auch alles beendet?
Ein Schauer lief mir den
Rücken hinab und ich wischte mir hektisch über die Wange. Nicht
weinen! Nicht jetzt. Nicht hier. Ich knallte meine Schließfach Tür lauthals zu und wandte mich ab. Ich schulterte meine Schultasche und
ging langsam Richtung Klassenraum. Doch ich ging nicht hinein. Was
würde mich da drinnen erwarten? Würden sie mich mit fragen
bestürmen? Oder würden sie mir alle sagen wie schrecklich es doch
war. Würden sie mich nur bemitleiden? Der Unterricht hatte schon vor
10 Minuten begonnen. Ich stand vor dem Klassenraum und überlegte ob
ich es wagen sollte. Sollte ich wirklich hineingehen?
Ich tat es
nicht. Stattdessen lief ich auf meine Krücken gestützt über den
Schulhof und setzte ich mich auf die Tribüne unseres Schulgeländes.
Es war beunruhigen Still. Die Stille machte mich nervös, raubte mir
den letzten Rest Nerv der es mir ermöglicht hatte heute zur Schule
zu kommen. Wieder liefen Tränen über meine Wangen. Ich fühlte mich
leer. Ein dumpfer Schmerz hatte sich in mir ausgebreitet. Larissa.
Meine große, coole, beliebte, Siebzehnjährige Schwester Larissa lag
im Krankenhaus. Im Koma. Schon seit knappen Fünf Wochen. Wieso
hatte der Unfall ihr so zugesetzt? Ich war doch auch dabei gewesen?
Wieso ging es mir gut. Wieso lag nicht ich im Koma sondern sie?
Wieso? Ihr Zustand ist stabil, haben die Ärzte gesagt. Es wird alles
gut werden, haben sie gesagt. Doch es war nicht alles gut geworden.
Stattdessen fiel Larissa in Koma. Ich hatte nur Zwei Zimmer entfernt
von ihr gelegen. Die Ärzten hatten mir unmittelbar nach dem Unfall
gesagt es wäre nur eine kleine Wunde am Kopf die ihr ein bisschen zu
schaffen machte. Sie waren von sich überzeugt gewesen. Bis meine
Schwester ins Koma gefallen war und herauskam, das sie eine
Hirnblutung hatte. Ich war furchtbar wütend auf die Ärzte im
Krankenhaus. Sie hätten es verhindern müssen. Sie hätten dafür
sorgen müssen das es ihr gut ging und das sich ihr Zustand nicht
verschlechterte. Sie hätten, verdammt nochmal, erkennen müssen was
mir meiner Schwester los war!
Heute ging ich das erste mal
nach dem Unfall wieder zur Schule. Mein gebrochenes Bein war bald
wieder Gesund und meine Schürfwunden und Schrammen waren schon längst
wieder verheilt. Mehr hatte ich nicht abbekommen. Die Ärzte sagten
mir, das ich unglaubliches Glück gehabt habe, bei so einem
Autounfall war es ein reines Wunder das mir nicht mehr passiert war.
Aber was wussten die denn schon? Schließlich hatten sie Larissa ins
Koma fallen lassen. Sie trugen Schuld daran. Ebenso wie der Fahrer
des anderen Wagens, der den ganzen Unfall verursacht hatte. Ich
wollte ihn hassen. Seinetwegen war das alles doch erst passiert. Doch
ich konnte es nicht. Er lag im Krankenhaus, genau wie Larissa im
Koma. Er hatte bei dem Unfall seine Frau verloren und seine kleine
Tochter war ebenfalls verletzt worden. Doch zumindest lebte sie.
Sosehr ich mich auch bemühte ich konnte ihn nicht hassen. Noch
nicht. Noch war Larissa ja auch noch am Leben. Noch gab es Hoffnung
das sie wieder aufwachen würde. Ich wollte nicht in der Haut des
Mannes stecken wenn dieser aufwachte. Er hatte nicht nur seine Frau
getötet sondern beinahe auch seine Tochter, ebenso hatte er mich
verletzt und Larissa...! Vielleicht sollte der Mann einfach nie
wieder aufwachen. So würde er diese Last niemals tragen müssen.
Dennoch wäre seine Tochter dann elternlos und falls Larissa sterben
sollte, WOLLTE ich das er aufwachte. Ich wollte das er die Schuld an
sich nagen fühlte. Ich wollte das er wusste das er nicht nur sein
eigenes sondern auch das Leben von anderen zerstört hatte. Doch noch
lebte meine Schwester. Ich betete jeden Tag das sie wieder aufwachen
würde.
Alles war still im Zimmer bis
auf das Piepen des Monitors und ihr leises atmen. Ich ging hinüber
zu Larissas Bett und schob humpelnd den harten Stuhl der in der Ecke
des Zimmers stand an ihr Bett. Dann griff ich nach ihrer Hand und
hielt sie in meiner. Larissa war schon immer furchtbar schlank
gewesen. Ich hingegen war ziemlich kräftig gebaut und beneidete sie
oft um ihre Figur. Doch nun fühlte sich ihre Hand knochig und leblos
in meiner an. Viel zu dünn. „Hallo Larissa.“ sagte ich. Mama
hatte mir gesagt, es würde ihr bestimmt helfen wenn ich mit ihr
reden würde. Seitdem tat ich das jeden Tag. Genau wie Mama. „Ich
habe dir doch erzählt, das ich heute zur Schule gehen würde. Ich
war dort. Aber ich habe mich einfach nicht getraut in die Klasse zu
gehen. Ich habe Angst davor. Was ist wenn sie mich nach dir Fragen?
Was soll ich denn dann antworten? Ich habe mich auf die Tribüne
gesetzt. Nach einer Weile hat mich mein Mathematiklehrer Herr Siebert,
gefunden. Er hat gefragt ob er mich nach Hause fahren soll. Ich bin
beinahe hysterisch geworden.,“ ich lachte verbittert auf. „,Glaubst
du ich kann jemals wieder ein Auto betreten? Ich habe solche Angst
davor. Fürchte mich sogar davor eine Straße zu überqueren. Albern
nicht? Früher rannte ich immer über die Straße, dem Bus hinterher.
Jetzt kann ich nicht einmal mehr das.“
„Ich habe mich
verändert Larissa.,“ fuhr ich fort. „, Ich bin nicht mehr
dieselbe wie vor dem Unfall. Ist das normal? Ist das bei dir genauso?
Ich finde schon. Dünn bist du geworden. Aber weißt du, wenn du
aufwachen würdest würden sie dich bestimmt mal wieder richtig gut
durchfüttern. Ich wette sie würden dir alles geben.
Salat,Eis,Nüsse,Erdbeeren,Spaghetti und vielleicht sogar ein Steak.
Vielleicht findest du als Vegetarierin es so schrecklich das du
aufwachst. Sie würden dir alles geben. Bestimmt. Wenn sie es nicht
tun, mache ich es. Aber dafür musst du aufwachen. Außerdem vermisse
ich meine große Schwester. Morgen ist Freitag der 13. Dein Lieblings Tag Denn willst du doch nicht verpassen? Du wirst 19 Jahre
alt. So alt schon. Ich bin richtig neidisch.“ Ich stockte. Mir
schnürte sich die Kehle zu. Larissa war das beste Beispiel dafür
das der Freitag der 13 kein Unglückstag war. Vor knapp 19 Jahren an
einem Freitag den 13. hatte meine Schwester das Licht der Welt
erblickt. Sie war immer die lebendigere und Selbstbewusstere von uns
beiden gewesen.
Aufgedreht,offen,fröhlich,hilfsbereit,nett,liebevoll...! Ich schluchzte auf. „Wach auf. Bitte. Bitte. Wach auf!“ wisperte ich.
In diesem Moment fing der Monitor an verrückt zu spielen. Im ersten
Moment dachte ich sie würde tatsächlich aufwachen doch plötzlich
wurde die Tür aufgerissen und eine Krankenschwester stürmte herein.
Erst jetzt wurde mir bewusst das sich ihr zustand massiv
verschlechterte. Zwei weitere Schwestern eilten herbei. Eine vierte
lotste mich nach draußen. „Das wird schon wieder. Geh nach Hause
und komm morgen wieder. Wir kümmern uns um deine Schwester.“ sagte sie
beruhigend und führte mich nach draußen. Mir blieb keine andere
Wahl. Mit ängstlich klopfenden Herzen und Tränen verschmierten Gesicht, lief ich nach Hause.
Der Regen prasselte auf die
Straße. Ich sah aus dem Fenster und weinte schon wieder. Heute war
Freitag der 13. Larissas 19 Geburtstag. Seit gestern hatte ich nichts
mehr von ihr gehört. Mama redete nicht mit mir darüber. Gerade war
sie ins Krankenhaus gefahren. Ohne mich. Natürlich hätte sie um
mich mitzunehmen laufen müssen, dennoch fand ich es unfair das sie
mich nicht dabei haben wollte. War etwas passiert? War sie etwa...?
Das Telefon klingelte. Ich raste nach unten und nahm ab. Mama war am
Apparat. „Liebling, willst du jetzt herkommen? Soll ich dich
abholen?“ ihre Stimme klang verweint. „Mama ist alles in
Ordnung?“ fragte ich. „Ja, Schatz. Soll ich dich abholen?“
wiederholte sie. „Nein! Ich komme zu Fuß.“ und schon hatte ich
aufgelegt und war nach draußen geeilt, so gut es mit meinen Krücken ging.
Vor dem Krankenhaus wartete Mama
auf mich. „Hallo Liebling.“ begrüßte sie mich. „Hallo Mama.“
antwortete ich nur. „Was hast du denn da?“ fragte sie und deutete
auf ein kleines verschnürtes Päckchen in meiner linken Hand.
„Larissas Geburtstags Geschenk.“ antwortete ich monoton. Ich sah
die Tränen spuren auf Mamas Gesicht. Ich wurde nervös. Wieso sagte
sie nichts mehr. „Schön.“ sagte sie nach etlichen Minuten und
machte sich auf den Weg nach drinnen. Gemeinsam liefen wir den langen
Korridor entlang und meine Nervosität nahm mit jeden Schritt zu.
Was war bloß los? Vor der Tür blieb ich zögernd stehen. „Nun
mach schon auf.“ drängte Mama plötzlich ungeduldig. Ich
gehorchte. Öffnete die Tür und betrat mit Mama im Schlepptau den
Raum. Vor dem Bett stand eine Krankenschwester. Sie redete munter vor
sich hin. Verrückte Frau. Führte Selbstgespräche. Ich trat auf das
Bett zu und erstarrte. Larissas Augen waren nicht länger Glasig und leer.
Sie waren lebendig und versprühten Farbe und Leben. Sie lächelte
schwach, als sie mich sah. Sie war Wach. Mir traten Tränen in die
Augen. „Larissa.“ flüsterte ich und lief auf sie zu. „Langsam.“
mahnte mich die Schwester als ich Larissa fest in die Arme nahm. Am
liebsten hätte ich sie zerdrückt. Ich war so glücklich. Ich weinte
unaufhörlich. Larissa weinte auch. Weinend hielten wir einander
fest. Nach einer Weile löste ich mich von ihr und reichte ihr das
Päckchen das ich noch immer fest umklammert hielt. Vorsichtig nahm
sie es und da es nicht richtig eingepackt gewesen war löste sich das
Papier ganz wie von selbst. Zum Vorschein kam ein Fotoalbum. Sie
öffnete es. Ich wusste was sie sehen würde. Sie sah uns beide
lachend im Wald auf einem alten Baum stehend gespalten von einem Blitz. Wir lächelten in die
Kamera und strahlten um die Wette. Sie lächelte. „Alles gute zum
Geburtstag.“ flüsterte ich.
Würde mich über Kommis freuen.
Ellen