Mittwoch, 11. September 2013

Kurzgeschichte ~ Die innere Unruhe

Die innere Unruhe!

Genau genommen war es ein ganz normaler Schultag gewesen. Alles war wie immer verrückt und chaotisch, aber so war meine Klasse nun einmal. Auch ich war wie immer. Ich hatte wie jeden Tag mit meinen drei Freundinnen die Pause verbracht. Der Unterricht war ebenfalls völlig normal verlaufen. Leider. Viel gemeldet hatte ich mich nämlich wieder einmal nicht. Nicht weil ich keine Lust hatte mich zu melden. Ich traute mich einfach nicht. Die Angst etwas falsches zu sagen, mich lächerlich zu machen begleitete mich Tag und Nacht. Dabei sollte dieses Jahr doch besser laufen. Dennoch versuchte ich mich nicht allzu über mich selbst zu ärgern. Aber auch wenn alles normal schien. Irgendetwas war doch anders. Ich konnte nicht still sitzen. Immer wieder wedelte ich mit meinem Stift zwischen meinen beiden Fingern herum und war die ganze Zeit unruhig und nervtötend für meine Freundinnen. Ich schaffte es nicht still zu sitzen. Doch ich kam einfach nicht darauf was es sein könnte, was mich an diesem Tag so nervös machte.

Nach der Schule verabschiedete ich mich wie immer von meinen Freundinnen. „Bis morgen, Rose.“ sagte meine Freundin Rahel und umarmte mich kurz. „Ja, bis morgen.“ antwortete ich nur.
Nachdem ich mich von meinen Freundinnen verabschiedet hatte, lief ich die schweren Steintreppen zu unserer Wohnung hoch. Meine Laune sank schon jetzt in den Keller. Was war heute bloß falsch? Freudig sprang unser Hund, Ami an mir hoch und freute sich, dass sich endlich jemand gefunden hatte der mit ihm Gassi gehen würde. Genervt warf ich meine Schultasche in mein Zimmer und leinte Ami an.
Als wir in den kalten Nieselregen hinaus traten sank meine Laune noch mehr. Was war es das mir dieses Gefühl verlieh? Ich ging geradeaus und bog dann in eine Seitenstraße ab. Als wir am Ende der Straße angekommen waren, wollte ich gerade erneut einbiegen, als ich eine Gruppe von Schülern mir entgegenkommen sah. Sie liefen fröhlich nebeneinander her, quatschten und scherzten aufgeregt herum. Genau an dieser Stelle wurde mir endlich klar was mich so störte. Rasch bog ich in eine andere Straße ab. Ich kam mir fremd vor. Die ganzen letzten Wochen war ich nicht ich selbst gewesen. Nicht so wie vor noch wenigen Monaten. Alles war wieder da. Die Zweifel, die Unzufriedenheit.  Ich wollte hier weg. Fort. Hatte fernweh. Wollte hinaus aus der Stadt. Nach Afrika,an den Bodensee. Irgendwo. Nur weg. Dachte ich zumindest. Doch in Wahrheit wollte ich nur von den Menschen weg. Weg von den gut gelaunten herum hüpfenden Schülern. Weg von den Erwachsenen. Einfach weg. Allein sein.

Als ich die Gruppe von Schülern gesehen hatte war es mir klar geworden. Erdrückend schwer lastete es auf mir. Ich wollte so gerne sein wie sie. Selbstbewusst. Fröhlich. Offen. Einfach alles. Jeder. Nur ich selbst wollte ich nicht sein. Ich wollte endlich meine Schüchternheit ablegen. Ein fröhliches und offenes Mädchen sein. Beliebt und nicht nur so da, als wäre ich ein Schatten. Doch das war ich nicht. Ich war verschlossen, schüchtern und einfach Unsichtbar. Manchmal stand ich lange vor dem Spiegel und betrachtete mich. Mir gefiel nicht was ich sah und während ich mich so anstarrte fragte ich mich was bloß aus mir mal werden sollte. In diesen Momenten hasste ich mich.

Von weiten sah ich schon das Ortsschild das bedeutete, dass ich die Stadt gleich verlassen hatte. Ami war wie immer aufgeweckt und fröhlich. Sie freute sich über den langen Gassi gang. Wir ließen das Ortsschild, samt der Stadt hinter uns und bogen nun in einen kleinen Feldweg, nahe dem Wald ein. Nun trafen wir niemanden mehr. Hier draußen war niemand. Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus und da die Straße hinter uns lag, leinte ich Ami ab. Sie lief voraus und ich sah ihr hinterher. Langsam folgte ich ihr. Ich wusste einfach nicht wie ich es schaffen sollte mein leben umzukrempeln. Mich umzukrempeln. Ich wollte so vieles ändern. Doch den Anfang fand ich einfach nicht. Wie legt man seine Schüchternheit ab? Ständig bekomme ich Ratschläge wie: "Springe einfach über deinen Schatten" oder "Gehe einfach aus dir heraus". Super! Damit konnte ich wirklich nichts anfangen. Wie sollte ich denn einfach so aus mir heraus kommen als wäre ich wie alle anderen auch Selbstbewusst und offen? Wie sollte ich einfach so auf andere zu gehen, obwohl ich das doch gar nicht konnte? Wie stellte man das an? Verzweiflung packte mich. Ich würde das niemals schaffen können. Nun stieg auch noch Wut in mir hoch. Ich blieb stehen. Ich war so wütend auf mich selbst. Wieso war ich so? Wieso schaffte ich es nicht mich zu verändern? Ich wollte laut sein. Schreien. Den anderen Mitteilen das ich auch hier war. Doch ich konnte es nicht. Nicht einmal jetzt, wo ich doch alleine war konnte ich es. Rasend vor Wut bückte ich mich und hob einen Stein vom Kiesweg auf. Als ich wieder aufrecht stand stutzte ich. Was wollte ich damit? Nachdenklich drehte ich den Stein in meiner Hand. Dann sah ich mich nach allein seiten um. Ami schnüffelte im hohen Gras herum. Sonst war hier niemand. Ich war allein. Ich holte aus und warf den Stein mit aller Kraft die ich aufbringen konnte. Wie ein Pingpong ball prallte er erst gegen den einen, dann gegen den anderen und schließlich wieder gegen denselben Baum bevor er ins Gras fiel. Klack, klack, klack. Ich folgte dem Stein mit meinem Blick. Oh Gott, jetzt warf ich sogar schon mit Steinen. Ich hob erneut einen Stein auf und warf ihr erneut. Diesmal wollte ich den Baum treffen. Klack. Immer wieder hob ich Steine vom Boden auf und schleuderte sie gegen den Baum. Das Klacken der Steine machte so ein schönes Geräusch. Ich warf und warf. Solange bis ich keine Kraft mehr hatte. Erst jetzt bemerkte ich das mir Tränen über die Wangen liefen. Doch jetzt lächelte ich. Vielleicht würde ich es ja doch schaffen. Vielleicht ließen sich meine Probleme wirklich lösen. Ich sah auf und blickte hinüber zu Ami die mich ansah. „Vielleicht schaffe ich es ja doch meinem Schatten da sein zu entschwinden“ flüsterte ich. Ich rief Ami zu mir und machte mich federnden Schrittes auf den Heimweg. Der Regen hatte zugenommen und prasselte auf den Boden. Auf mein Haar. Auf mein Gesicht. Ich streckte dem Himmel mein Gesicht entgegen. Ich lächelte. Es war ein kleines lächeln aber dennoch, es war eines. So verrückt es klingen mag ich fühlte mich befreit. Es war als hätte ich in die Steine alle meine Probleme hinein gelegt. Ich hatte sie von mir geschmettert. „Komm Ami. Ich will jetzt nach hause.“ sagte ich und fuhr mir durch das Tropfnasse haar. Doch ich würde wiederkommen, das wusste ich.

Mit gestrafften Schultern ging ich der Stadt entgegen.Zurück zu den Menschen. Wild versucht, das beste daraus zu machen. Nach hause.




Kritik und Meinungen wie immer Erwünscht. :)

Ellen


4 Kommentare:

  1. Schöne Geschichte. Klingt gut und eine tolle Idee. Vor allen der letzte Teil auf der Wiese gefällt mir.
    LG Janina

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  2. Hey;-)
    1. Toller Blog. Respekt!!!
    2. Die Geschichte ist schön geschrieben!! Mir gefällt sie deshalb so gut, weil das Mädchen nicht aufgibt und doch noch an sich glaubt;-D
    Weiter so<3
    Lg, Nele

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    1. Danke ♥
      Deine Kommis sind immer so motivierend :) :D

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