Ein Blick für das Schöne
„Das ist so langweilig hier“ sagte er und
verdrehte die Augen. Seine Mutter seufzte schwer. „Es ist nicht
langweilig. Genieße doch mal die Aussicht hier. Siehe dir die
Umgebung an. Die Blumen, die Bäume und einfach alles. Es ist ein
wunderschöner Ort.“ „Nein, es ist ein schrecklich öder Ort.“
widersprach der Junge seiner Mutter und sah sie genervt an. „Du
hast einfach kein Auge für das schöne.“ behauptete sie und
schloss die Augen. So konnte sie die Sonne viel mehr genießen. Der
Junge schwieg nur und sah ihr dabei zu.
Als er erwachte war es dunkel um ihn herum. War er
zuhause in seinem Zimmer? Was für ein Tag war es? Wo war er gestern
eigentlich gewesen? Fragen über fragen schossen ihm durch den Kopf.
Er wollte schon aufstehen, als er merkte dass etwas an seinen Armen
zog. Es war ein ekliges Ziehen. Sofort erstarrte er und sah zu seinen
armen hinab. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit
und er konnte einen Schreckenslaut nicht unterdrücken. Schläuche
hingen an seinen armen und als er den Blick durch das Zimmer
schweifen ließ, wurde ihm einiges klar. Weiße Wände mit nichts
anderen als von Kindern gemalten Bildern bestückt. Monitore neben
seinem Bett, sie piepten und taten ihm in den Ohren Weh. Sein Bett
mit dünnen weißen Bettzeug lag über ihm. Ein Krankenhaus Zimmer.
Ihm schwirrte der Kopf und erst nach einigen Sekunden wurde ihm klar,
dass es nicht daran lag das ihm so viel durch den Kopf ging, sondern
dass er noch immer halb aufgerichtet im Bett saß und dies allein,
ihm alle Kraft kostete. Er lehnte sich zurück. Fühlte sich so
schwach. Plötzlich ging die Tür auf und mit dem Licht, dass durch
die geöffnete Tür hereinbrach, kam eine Krankenschwester. Als sie
bemerkte das er wach war blieb sie angewurzelt stehen. Dann lief sie
rasch den Gang hinunter und rief nach jemanden. Als die
Krankenschwester wieder das Zimmer betrat, war er schon wieder
eingeschlafen.
Als er das nächste mal wach wurde saß sie neben
ihm. Die Krankenschwester von zuvor. Sie musste etwa in seinem alter
sein. Sie lächelte freundlich zu ihm hinab und sah höchst zufrieden
aus. „Was ist passiert? Wieso bin ich hier?“ brach es aus ihm
heraus doch er schaffte nicht mehr als ein leises flüstern. „Deine
Mutter und du hattet einen Autounfall.“ antwortete sie und sah
nicht länger fröhlich drein, sondern mit Mitgefühl in den Augen
und ihrer Hand auf seinem Arm hatte sie etwas sehr tröstliches.
„Meine Mutter?“ fragte er atemlos. „Sie lebt, doch sie liegt
zur Zeit im Koma.“ sagte sie . Bevor er noch etwas erwidern oder
auch nur weiter darüber nachdenken konnte, was sie gerade
schreckliches gesagt hatte unterbrach sie seine Gedanken auch schon.
„Du heißt Liam, richtig?“ Das brachte ihm aus dem Konzept. „Ja.“
antwortete er sichtlich verwundert über diese banale Frage. Seine
Mutter lag im Koma, verdammt, wieso fragte sie so etwas dämliches?
„Du kannst mich Lu nennen.“ sagte die Krankenschwester.
„Wie geht es meiner Mom heute?“ fragte Liam als
er das Krankenhaus mit seinen störenden Krücken betrat. Doch ohne
Krücken ging leider noch gar nichts bei ihm. Er würde
zusammenbrechen. „Sie ist stabil.“ antwortete Lu, die gerade
vorbeihuschte. Schnell eilte er ihr nach, sogut es seine Krücken
zuließen. „Heißt das es hat sich immer noch nichts verändert?“
hakte er nach. Sie schüttelte den Kopf und blieb stehen. „Hör mal
Liam. Es ist wirklich ein schlechter Zeitpunkt. Es ist heute viel los
und ich habe leider keine Zeit für dich. Geh du nur zu deiner
Mutter, wir können doch später reden.“ sagte sie und lächelte
entschuldigend. Immer war sie in eile. Er hatte es viel lieber
gehabt, als sie sich nur hatte um ihn kümmern müssen, als er noch
im Krankenbett gelegen hatte. Er mochte sie. In dieser schweren Zeit,
war sie die einzige gewesen die für ihn da gewesen war. Er sah ihr
nach und warf dann einen Blick den Gang hinunter, der ihn zu seiner
Mutter führen könnte. Doch dann drehte er um und verließ langsam
das Krankenhaus.
Drei Tage war er nicht mehr im Krankenhaus gewesen.
Er brachte es einfach nicht über sich. Die Lage seiner Mutter sei
stabil, sagten die Ärzte immer. Doch es änderte sich einfach
nichts. Der Weg war anstrengend zu bewältigen mit seinen Krücken.
Lose steine brachten ihn zum stolpern und Laub und schlamm ließen
ihn beinahe ausrutschen. Allein im Wald zu gehen mit seinen Krücken
und dem schwachen Körper war keine gute Idee, doch es war ihm heute
egal. Endlich fand er sie. Die Lichtung im Walde, die er immer so
langweilig gefunden hatte. Als er sie betrat, stockte ihm der Atem.
Es war wunderschön. Er hatte schon seit Wochen nicht mehr so etwas
bezauberndes gesehen. Er humpelte zur Mitte der Lichtung und ließ
sich vorsichtig ins Gras nieder. Die Lichtung blühte wie eh und je.
Überall standen Frühlingsblüher und die Sonne versetzte sie in
genau das richtige Licht. Es brachte sie zum Strahlen, aber nicht so
das es ihn blendete. Die Bäume die, die Lichtung umkreisten waren
allesamt von einem satten grün und standen in verschiedene
Richtungen ab. Einige waren hohl, andere steil nach oben gerichtet
wie ein Pfeil. Ein paar waren gespalten, als wären sie vom Blitz
getroffen worden und wieder andere räkelten ihre Äste so kunstvoll
umeinander, dass es etwas unheimlich bezauberndes an sich hatte. Es
war ein wirklich wunderschöner Ort. Wieso bloß, hatte er diese
Schönheit vorher nicht gesehen? Seine Mutter hatte so recht gehabt
und er war blind gewesen. Blind wahrer Schönheit gegenüber. Wie
traurig. Doch es war nicht fair. Wieso sah er die Schönheit erst
jetzt? Jetzt, wo er alles was er jemals gehabt hatte zu verlieren
drohte. Seine Mutter war immer für ihn da gewesen. Sie war der
einzige Mensch der zu ihm gehalten hatte, ganz gleich worum es ging
und jetzt lag sie im Koma und es wurde einfach nicht besser mit ihr.
Er fluchte, als er merkte wie ihm Tränen über die Wangen rannen,
hörte jedoch sofort mit dem Fluchen wieder auf. Flüche klangen
falsch an diesem Ort. Das schrille klingeln seines Handy's riss ihm
aus seinen Gedanken. Lustlos und ohne darauf zu achten wer anrief,
ging er dran. Es war Lu. „Deine Mutter ist wach.“ sagte sie ohne
jegliche Begrüßung. Sie klang aufgeregt und fröhlich. Zuerst
lächelte er darüber wie aufgeregt sie war. Sie arbeitete noch nicht
allzu lange im Krankenhaus und war ziemlich leicht zu begeistern.
Doch dann sickerten ihre Worte in sein Bewusstsein und er brachte
gerade noch ein „Bis gleich.“ hervor bevor er auflegte, seine
Krücken schnappte und so schnell den Weg zurücklegte, dass es an
einem Rekord grenzen musste.
Keine halbe Stunde später betrat er das Krankenhaus.
Er hatte dem Taxifahrer mächtig unter Druck gesetzt, jedoch auch
nicht mit Trinkgeld gespart, nachdem dieser die Straße entlang gejagt
war wie ein Irrer. Insgeheim musste es ihm wohl Spaß gemacht haben,
mal endlich so richig durch die Straßen zu sausen. Doch Liam konnte
nur an seine Mutter denken. Er stürmte beinahe ins Krankenhaus und
Lu wartete bereits auf ihn. „Da bist du ja. Sie ist wieder
eingeschlafen, aber sie wird sicher wieder. Das Koma jedenfalls hat
sie weit hinter sich gelassen.“ sagte sie zur Begrüßung und er
umarmte sie, einfach, weil er so erleichtert war. Dann führte sie
ihn ins Zimmer seiner Mutter. Viel hatte sich nicht geändert. Sie
lag noch immer beinahe leblos da, doch allein das wissen das sie nur
schlief beflügelte seine Seele. Er ging zu ihrem Bett und nahm die
Hand seiner Mutter. Sie war dünn und knochig, doch sie war am Leben.
„Sie wird wieder.“ sagte Lu nun sicher zum dritten Mal
überglücklich und er sah sie an und schenkte ihr ein strahlendes
lächeln. Eine zarte röte schoss ihr ins Gesicht und sie lächelte
unsicher zurück. So hatte er sie noch nie angestrahlt. Doch er
wollte gar nicht mehr damit aufhören. Schließlich hatte er endlich
seinen Blick für das schöne gefunden und so schnell würde er seine
Augen nicht wieder von ihr abwenden.
Ellen
Das wäre ein passender Beitrag zum Valentinstag gewesen:)
AntwortenLöschenIch finde die Geschichte wunderschön!
Ich mag es, wie du herüber bringst, wie Umstände und Menschen jemanden verändern können. Und das nicht jeder "Wink mit dem Zaunspfahl" einen ausknokt, sondern dass man nach einem kräftigen Schlag sich umdreht und plötzlich etwas sieht, was man bisher nicht beachtet hat.
Sehr schön, bin begeistert :)
Liebe Grüße > darkest.heart
Vielen Dank. Ich bin froh, dass es anscheinend richtig rüber gekommen ist, so wie ich es mir erhofft habe. :)
LöschenHey :)
AntwortenLöschenwir haben einen TOP 10 Blogs- Post gemacht und deine 2 Blogs sind auch dabei ;).
Wir würden uns sehr freuen wenn du mal vorbeischauen könntest:
http://marybeckybffblog.blogspot.de/2014/02/top-10-blogs_6548.html
LG Mary & Becky ♥
Ich schaue gleich mal vorbei. :)
AntwortenLöschenHey;-)
AntwortenLöschenNur zwei Worte:
Richtig gut!!!!!
Liebesgeschichte und Happy End. Das finde ich gut. Zum Glück ist die Mutter nicht getorben<3 Ich finde super, dass der Junge doch noch die wahre Schönheit entdeckt hat!!
Du kannst echt gut schreiben. Es macht echt Spaß deine Geschicihten zu lesen!!
Weiter so<3
LG, Nele;-D
Dankeschön. ♥
LöschenFreut mich dass es dir gefällt :D ;) ♥